Einmalige „Corona-Prämie“ auch für überlassene Arbeitnehmer

Arbeitsrecht
August 2024

Einer kürzlich vom Obersten Gerichtshof (OGH) entschiedenen Rechtssache lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger war bei der Beklagten vom 01.03.2015 bis 21.12.2022 als Simulatorpilot tätig und wurde an die Nebenintervenientin überlassen. Auf die Dienstverhältnisse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Nebenintervenientin ist der 2. Kollektivvertrag für die Bediensteten der Austro Control GmbH anzuwenden. Der 23. Nachtrag zum Kollektivvertrag enthält eine Bestimmung zu einer „Corona-Prämie“. Demnach sollen alle „Mitarbeiter:innen mit einem aufrechten Dienstverhältnis zum 31.12.2021 [...] einmalig für 2021 für ihren besonderen Einsatz und die erhöhte Belastung während der COVID 19 Pandemie eine einmalige Prämie […]“ erhalten.

Der Kläger begehrte von der Beklagten, gestützt auf § 10 Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) die Zahlung einer (aufgrund seiner Teilzeitbeschäftigung) anteiligen Corona-Prämie.

Der OGH hatte zwei Rechtsfragen zu klären, und zwar zunächst, ob die im Kollektivvertrag des Beschäftigerbetriebs geregelte einmalige Corona-Prämie unter den Entgeltbegriff des § 10 Abs. 1 AÜG fallen kann und für den Fall, dass diese Frage bejaht wird, ob der Kläger im Lichte des § 10 Abs. 1 S. 3 AÜG (ebenfalls) einen Rechtsanspruch darauf hat.

Zum Entgeltbegriff hielt der OGH zunächst fest, dass das österreichische Arbeitsrecht allgemein von einem umfassenden Entgeltbegriff ausgeht. Diesen hat der Gesetzgeber, wie er in den Gesetzesmaterialien zur Umsetzung der Leiharbeits-Richtlinie ausdrücklich erklärte, auch in § 10 Abs. 1 AÜG verwendet. Der Entgeltbegriff des § 10 Abs. 1 AÜG ist jedenfalls nicht auf periodisch fällig werdende Entgeltansprüche beschränkt. Der OGH stellte zudem fest, dass die Parteien nicht einmal behauptet hatten, dass der allgemeine arbeitsrechtliche Entgeltbegriff keine kollektivvertragliche Corona-Prämie umfasst, die einmalig auszuzahlen ist. Die Beklagte könne dem Kläger daher die Auszahlung der Corona-Prämie nicht mit der Begründung verweigern, sie sei kein Entgelt nach § 10 Abs. 1 AÜG.

Nach ständiger Rechtsprechung normiert § 10 Abs.1 Satz 3 AÜG mit dem Ausdruck „Bedachtnahme“ jedenfalls einen Anspruch des überlassenen Arbeitnehmers auf das Mindestentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer für vergleichbare Tätigkeiten nach dem Kollektivvertrag des Beschäftigerbetriebs. Die einmalige Corona-Prämie ist ein kollektivvertragliches Mindestentgelt für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Beschäftigerbetriebs mit einem aufrechten Arbeitsverhältnis am 31.12.2021 – unabhängig von der Art ihrer Tätigkeit. Der OGH kam daher zum Schluss, dass alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Beschäftigerbetriebs grundsätzlich mit dem Kläger als überlassene Arbeitskraft vergleichbar nach § 10 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 4 AÜG sind. Daher hat auch der Kläger einen Anspruch auf die Corona-Prämie.