Entschädigung nach dem Epidemiegesetz - aktuelle Informationen

November 2022


Gemäß § 1 des am 16.03.2020 in Kraft getretenen Bundesgesetz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-Maßnahmengesetz) kann der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz beim Auftreten von COVID-19 durch Verordnung das Betreten von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen oder Arbeitsorte untersagen, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist.

Gemäß § 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz gelangen die Bestimmungen des Epidemiegesetz 1950 betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereiches dieser Verordnung nicht zur Anwendung, wenn der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz eine solche Verordnung erlassen hat.

Dies trifft insbesondere auf die derzeit – bis (vorläufig) 13.04.2020 geltende „Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes“ zu, nach welcher – von einigen Ausnahmen abgesehen – u.a. das Betreten öffentlicher Orte verboten ist.

Hingegen ist gemäß § 32 Abs 1 Epidemiegesetz 1950 natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechts wegen der durch die Behinderung ihres Erwerbes entstandenen Vermögensnachteile dann eine Vergütung zu leisten, wenn und soweit


sie gemäß §§ 7 und 17 Epidemiegesetz 1950 abgesondert worden sind, oder

ihnen die Abgabe von Lebensmitteln gemäß § 11 Epidemiegesetz 1950 untersagt worden ist, oder

ihnen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit gemäß § 17 Epidemiegesetz 1950 untersagt worden ist, oder

sie in einem gemäß § 20 Epidemiegesetz 1950 beschränkten oder geschlossenen Unternehmen beschäftigt sind, oder

sie ein Unternehmen betreiben, das gemäß § 20 Epidemiegesetz 1950 in seinem Betrieb beschränkt oder gesperrt worden ist, oder

sie in Wohnungen oder Gebäuden wohnen, deren Räumung gemäß § 22 Epidemiegesetz 1950 angeordnet worden ist, oder

sie in einer Ortschaft wohnen oder berufstätig sind, über welche Verkehrsbeschränkungen gemäß § 24 Epidemiegesetz verhängt worden sind

und dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist.

Demnach haben betroffene Personen und Gesellschaften unter den oben genannten Voraussetzungen grundsätzlich einen Anspruch auf Entschädigung.

Da gemäß § 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz die Bestimmungen des Epidemiegesetz 1950 betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereiches dieser Verordnung nicht zur Anwendung gelangen, wenn der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz eine solche Verordnung erlassen hat, ist nach derzeitigem Kenntnisstand davon auszugehen, dass die betroffenen Personen und Gesellschaften keinen Entschädigungsanspruch gemäß § 32 Abs 1 Epidemiegesetz 1950 haben, wenn deren Betriebsstätten aufgrund einer Verordnung gemäß § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz nicht betreten werden dürfen.

Jedoch haben diverse Bezirksverwaltungsbehörden vor In-Kraft-Treten des COVID-19-Maßnahmengesetz Maßnahmen nach dem Epidemiegesetz 1950 verordnet, nach welchen den betroffenen Personen und Gesellschaften für den Zeitraum, in welchem die auf das Epidemiegesetz 1950 gestützten Verordnungen in Kraft sind, ein Anspruch auf Entschädigung zusteht. Dies trifft insbesondere auf nachfolgende Verordnungen der BH Landeck zu:


Verordnung vom 11.03.2020 betreffend Maßnahmen gegen das Zusammenströmen größerer Menschenmengen nach dem Epidemiegesetz 1950 (Nr. 118),

Verordnung vom 13.03.2020 betreffend verkehrsbeschränkende Maßnahmen nach dem Epidemiegesetz 1950 für alle Gemeinden des Bezirk Landeck (Nr. 119),

Verordnung vom 14.03.2020 betreffend verkehrsbeschränkende Maßnahmen nach dem Epidemiegesetz 1950 für die Gemeinden im Paznauntal und Gemeinde St. Anton a. A. (Nr. 128),

Verordnung vom 15.03.2020 betreffend verkehrsbeschränkende Maßnahmen für die Bewohner sämtlicher Ortschaften im Bezirk Landeck nach dem Epidemiegesetz 1950 (Nr. 137).

Die Verordnung vom 15.03.2020 (Nr. 137) wurde mit Verordnung vom 15.03.2020 (Nr. 164) mit Ausnahme für das Paznauntal und die Gemeinde St. Anton a.A. vorzeitig, mit Ablauf des 19.03.2020, außer Kraft gesetzt.

Die Verordnungen vom 11.03.2020 (Nr. 118), vom 13.03.2020 (Nr. 119) und der in Geltung verbliebene Teil der Verordnung vom 15.03.2020 (Nr. 137) wurden mit Verordnung vom 26.03.2020 (Nr. 181) mit Ablauf des 26.03.2020 außer Kraft gesetzt.

Die Verordnung vom 14.03.2020 (Nr. 128) wurde mit Verordnung vom 27.03.2020 (Nr. 189) mit Ablauf des 28.03.2020 außer Kraft gesetzt.

Während des Geltungszeitraumes der oben genannten Verordnungen haben betroffene Personen und Gesellschaften daher Ersatzansprüche nach dem Epidemiegesetz 1950. Neben sämtlichen Personen und Gesellschaften im Paznauntal und der Gemeinde St. Anton, für welche weitreichendere und länger in Kraft getretene Verordnungen in Geltung waren, haben auch natürliche und juristische Personen, die in einer Ortschaft wohnen oder berufstätig sind, über welche Verkehrsbeschränkungen gemäß § 24 Epidemiegesetz 1950 verhängt worden sind, Anspruch auf eine Entschädigung, wenn sie durch diese Maßnahmen einen Verdienstentgang erlitten haben (§ 32 Abs 1 Z 7. Epidemiegesetz 1950).

Nach dem Zeitpunkt des Außerkrafttretens dieser Verordnungen ist eine Entschädigung denkbar, zumal im Raum steht, dass insbesondere § 4 Abs 2 COVID-19-Maßnahmengesetz, wonach die Bestimmungen des Epidemiegesetz 1950 betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereiches von Verordnungen gestützt auf das COVID-19-Maßnahmengesetz nicht zur Anwendung gelangen, verfassungswidrig sein könnte.

Nach einem Erkenntnis des UVS des Landes Oberösterreich ist der Entschädigungsanspruch von Selbständigen wie folgt zu ermitteln:


vorerst ist das Bruttoeinkommen der letzten zwei Monate vor dem Monat der behördlichen Verfügung festzustellen;

danach ist das Bruttoeinkommen während des gleichen Zeitraumes im Vorjahr zu ermitteln;

diese Beträge sind einander gegenüberzustellen und der Prozentsatz der Steigerung oder Minderung gegenüber dem Vorjahr zu errechnen;

sodann ist das Einkommen des Vorjahres, welches dem Monat bzw. den Monaten der behördlichen Verfügung entspricht, festzustellen und auf einzelne Tage mittels Division durch 30 umzulegen;

das so ermittelte Tageseinkommen des Vorjahres ist um den Prozentsatz der Steigerung oder Minderung zu adaptieren;

das Einkommen während des Zeitraumes der behördlichen Verfügung ist festzustellen und auf Tage umzurechnen;

das fiktive (= adaptierte oder „Soll“-) und das tatsächliche Tageseinkommen sind einander gegenüberzustellen; als Entschädigung ist schließlich der daraus resultierende Differenzbetrag für jeden Tag der behördlichen Verfügung zu leisten.



Berechnungsbeispiel:


Bruttoeinkommen Jänner - Februar 2019: € 100.000,-

Bruttoeinkommen Jänner - Februar 2020: € 120.000,-

Bruttoeinkommen März 2019: € 60.000,-

Bruttoeinkommen während behördlicher Verfügung (11.03.2020 - 28.03.2020): € 5.000,-



Unter Zugrundelegung der oben genannten Maßnahmen errechnet sich eine Steigerung des Einkommens während des Zeitraums Jänner - Februar 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 20 %.

Das tägliche Einkommen im März 2019 betrug € 2.000,-.

Das tägliche, fiktive bzw. „Soll“-Einkommen im März 2020 beträgt € 2.400,-.



Das fiktive bzw. „Soll“-Einkommen für den Zeitraum der behördlichen Verfügung (11.03.2020 - 28.03.2020) beträgt € 43.200,-, das tatsächliche Einkommen hingegen € 5.000,-.

Somit errechnet sich ein Verdienstentgang in Höhe von € 38.200,-.



Gemäß § 32 Abs 3 haben auch Personen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, Anspruch auf eine Vergütung in Höhe des regelmäßigen Entgelts im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes, wenn diesen aufgrund der obigen Maßnahmen ein Verdienstgentgang entstanden ist. Für Unternehmen ist dabei von Interesse, dass der Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Bund mit dem Zeitpunkt der Auszahlung auf den Arbeitgeber übergeht. Zudem ist der für die Zeit der Erwerbsbehinderung vom Arbeitgeber zu entrichtende Dienstgeberanteil in der gesetzlichen Sozialversicherung und der Zuschlag gemäß § 21 des Bauarbeiterurlaubsgesetzes vom Bund zu ersetzen.

Gemäß § 33 Epidemiegesetz ist der Anspruch auf Entschädigung binnen sechs Wochen vom Tage der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bereich diese Maßnahmen getroffen wurden, geltend zu machen, widrigenfalls der Anspruch erlischt. Da die auf das Epidemiegesetz 1950 gestützten Verordnungen der Bezirksverwaltungsbehörden bereits außer Kraft getreten sind, hat die 6-wöchige Frist für die Geltendmachung der Entschädigung für jenen Zeitraum, in welchem diese Verordnungen in Geltung waren, bereits zu laufen begonnen.