Freiheitsersitzung auch bei nicht im Grundbuch eingetragenen Dienstbarkeiten

Allgemeines Zivilrecht Liegenschaftsrecht
März 2020


Gemäß § 1479 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) erlöschen (verjähren) Dienstbarkeiten durch dreißigjährige (in besonderen Fällen vierzigjährige) Nichtausübung. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen ist oder nicht. Von besonderer Bedeutung ist, dass bereits die teilweise Ausübung der Dienstbarkeit ausreicht, um die Verjährung des entsprechenden Rechtes gänzlich zu verhindern. Eine Dienstbarkeit verjährt somit nur bei vollständiger Nichtausübung über einen Zeitraum von dreißig bzw. ausnahmsweise vierzig Jahren. Durch eine Teilausübung der Dienstbarkeit wird die Verjährungsfrist unterbrochen, was bedeutet, dass diese Verjährungsfrist nach (Teil-)Ausübung der Dienstbarkeit wieder neu zu laufen beginnt.

Von dieser allgemeinen Verjährung ist die Freiheitsersitzung („usucapio libertatis“) gemäß § 1488 ABGB zu unterscheiden. In diesem Fall kommt es dann zum Erlöschen der Dienstbarkeit, wenn sich der Dienstbarkeitsverpflichtete der Ausübung der Dienstbarkeit widersetzt und der Dienstbarkeitsberechtigte sein Recht nicht innerhalb von drei Jahren gerichtlich geltend macht. Errichtet der Dienstbarkeitsbelastete beispielsweise ein Gebäude auf der Dienstbarkeitstrasse (z.B. Geh- und Fahrweg), muss der Dienstbarkeitsberechtigte binnen drei Jahren ab Errichtung des Gebäudes eine Klage auf Entfernung desselben einbringen, um sein Recht nicht zu verlieren. Im Falle der Freiheitsersitzung verhindert eine teilweise Ausübung der Dienstbarkeit nicht die Verjährung der gesamten Dienstbarkeit, sondern kommt diesfalls auch ein Teilverlust des Dienstbarkeitsrechtes in Betracht.

Nach einer kürzlich vom Obersten Gerichtshof (OGH) entschiedenen Rechtssache hat die kurze Verjährung des § 1488 ABGB vor allem den Zweck, die rasche Klärung einer strittigen Rechtslage herbeizuführen. Ob ein vom Verpflichteten nicht (mehr) geduldetes Dienstbarkeitsrecht besteht oder nicht, soll im Interesse der Beteiligten, aber auch der Verkehrssicherheit möglichst schnell gerichtlich geklärt werden.

Während in der älteren Rechtsprechung die tatsächliche Dienstbarkeitsausübung durch den Berechtigten als Voraussetzung für die Freiheitsersitzung gefordert wurde, kommt es für den Beginn der Verjährung nach § 1488 ABGB nach nunmehr herrschender Ansicht nur noch auf die (objektive) Möglichkeit der Rechtsausübung an. Es genügt, dass der Dienstbarkeitsberechtigte das Hindernis, das die Ausübung seiner Dienstbarkeit unmöglich macht oder doch beeinträchtigt, bei gewöhnlicher Sorgfalt (im Sinne von gewöhnlicher Aufmerksamkeit) hätte wahrnehmen können.

Nach Ansicht des OGH widerspreche die Anwendung der Freiheitsersitzung auch bei einer vertraglich eingeräumten, aber nicht im Grundbuch eingetragenen Dienstbarkeit dem Gedanken, dass § 1488 ABGB grundsätzlich nur dingliche Servituten vor Augen hat, jedoch vermeide dies den Wertungswiderspruch, dass ansonsten eine nicht im Grundbuch eingetragene und damit bloß obligatorisch (zwischen den Vertragsparteien) wirkende Servitut eine höhere Bestandskraft hätte als eine im Grundbuch eingetragene und daher sogar dinglich wirkende. Deshalb sei auf vertragliche, jedoch (noch) nicht im Grundbuch eingetragene Dienstbarkeiten § 1488 ABGB somit im Wege der Analogie anwendbar. Demnach ist auch bei nicht im Grundbuch eingetragenen Dienstbarkeiten eine Freiheitsersitzung möglich.