Geschäftsraummiete und COVID-19: Anspruch auf Minderung des Mietzinses?
Schon kurz nach Beginn der COVID-19-Pandemie entbrannte eine Debatte darüber, ob Unternehmer, die ihre Geschäftsräume mieten, aufgrund der Betretungsverbote und der damit einhergehenden Unbrauchbarkeit ihrer gemieteten Geschäftsfläche Anspruch auf Mietzinsminderung haben. Dabei stand auch zur Diskussion, ob staatliche Unterstützungsleistungen, die der Mieter erhält, bei einer allfälligen Mietzinsminderung an den Vermieter weiterzugeben sind. Zu dem Themenkomplex sind bereits einige erstinstanzliche Urteile ergangen; nun liegt – soweit ersichtlich – die erste Entscheidung eines zweitinstanzlichen Gerichts vor.
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien (LGZ Wien) als Berufungsgericht hatte nachfolgenden Sachverhalt zu beurteilen:
Der Kläger ist Mieter eines Geschäftslokals, das im Eigentum der beklagten Vermieter steht. Er betreibt darin eine Buchhandlung. Aufgrund der behördlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie war es den Kunden des Klägers in der Zeit vom 16. März 2020 bis 13. April 2020 untersagt, den Kundenbereich der Buchhandlung zu betreten. Trotz Online-Verkaufs an Stammkunden konnte der Kläger in diesem Zeitraum lediglich zwischen 2 bis 5 % des Umsatzes zum Vergleichszeitraum erzielen.
Der Kläger bezahlte den Mietzins für März 2020 vollständig und pünktlich, ebenso auch den Mietzins für April 2020. Mit Schreiben vom 16. April 2020 an die zuständige Hausverwalterin verwies der Kläger darauf, dass er angesichts des behördlichen Betretungsverbotes seit 16. März 2020, welches „vorerst“ bis 13. April 2020 aufrecht bleiben soll, Anspruch auf Rückzahlung der Hälfte des bereits für März 2020 geleisteten Mietzinses habe. Zudem führte der Mieter in seinem Schreiben folgendes aus: „Im Hinblick auf das gute Einvernehmen und den Umstand, dass noch offen ist, wie lange das Betretungsverbot tatsächlich bestehen wird, habe ich auch den Mietzins für April vorerst in voller Höhe bezahlt. Diese Zahlung erfolgt jedoch vorbehaltlich der Rückforderung auf Grund des oben dargestellten Mietzinsminderungsanspruches.“
Der Kläger begehrte von den Beklagten die Rückzahlung von € 1.799,44,-- an zu viel bezahltem Mietzins für die Monate März und April 2020. Begründend brachte er vor, das Mietobjekt sei ab dem 16.3.2020 bis zum 14.4.2020 aufgrund des Betretungsverbotes partiell unbrauchbar gewesen. Die Kunden des Klägers hätten den Verkaufsraum im Monat März 16 Tage und im Monat April 14 Tage nicht betreten dürfen.
In seiner Entscheidung stellte das LGZ Wien zunächst fest, dass der Mieter bei teilweiser Unbrauchbarkeit seines Mietgegenstandes aufgrund einer Seuche wie COVID-19 ein Mietzinsminderungsrecht habe. Er müsse Mietzins nur mehr in dem Ausmaß bezahlen, in dem noch Brauchbarkeit der gemieteten Räumlichkeiten bestehe. Zudem sprach das Gericht aus, dass staatliche Hilfsleistungen – zumindest im Hinblick auf die Umsatzausfälle im ersten Lockdown – nicht an den Vermieter herausgegeben werden müssen. Das Gericht kam zum Schluss, dass im gegenständlichen Fall daher nur ein geminderter Mietzins zu bezahlen war und die Vermieter den zu viel bezahlten Teil herauszugeben hatten. Dieses Urteil lässt vorsichtige Schlüsse darauf zu, wie die Justiz die Rechtslage hinsichtlich COVID-19 und Geschäftsraummiete einschätzen könnte. Gewissheit besteht aber erst, wenn ein Urteil des Obersten Gerichtshofs ergeht.