Haftung für umstürzenden Grabstein?
Wird jemand durch Einsturz oder Ablösung von Teilen eines mangelhaften Bauwerks geschädigt, so haftet grundsätzlich der Besitzer des Bauwerks für den Schaden, wenn er nicht beweist, dass er alle zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt angewendet hat. Hierbei handelt es sich um die sog. „Bauwerkshaftung“ gemäß § 1319 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB).
Einer kürzlich vom Landesgericht Innsbruck entschiedenen Rechtssache lag nachfolgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger besuchte einen Friedhof, um beim Grab eines Angehörigen, das hinter der dem Beklagten gehörenden Grabstelle liegt, eine Kerze anzuzünden. Als sich der Kläger nach dem Anzünden der Kerze wieder aufrichtete, fiel der Grabstein des Beklagten ohne äußere Einwirkung um. Durch das Umfallen des Grabsteins wurde der Kläger verletzt. Der Kläger erhob gegen den Beklagten Klage vor dem zuständigen Gericht und begehrte Schmerzengeld und Ersatz für seinen Verdienstentgang.
Das Gericht erster Instanz stellte zunächst fest, dass sich die Grabstelle in einem ortsüblichen und gepflegten Zustand befunden habe und von einer Steinmetzfirma errichtet worden sei. Seit der Errichtung vor rund 20 Jahren sei der Grabstein aber nicht mehr kontrolliert worden, insbesondere habe der Beklaget nie einen Fachmann mit der Kontrolle der Standfestigkeit des Grabsteins beauftragt oder selbst zur Prüfung daran gerüttelt. Das Erstgericht kam zum Schluss, dass der Kläger daher nicht alle notwendigen Sicherheitsmaßnahmen unternommen habe und zum Schadenersatz verpflichtet sei.
Das in zweiter Instanz angerufene Landesgericht kam zu einer anderen Rechtsansicht. Es führte zunächst aus, dass die Verkehrssicherungspflichten des Grabbesitzers nicht überspannt werden dürfen. Dabei würden nur solche Schutzvorkehrungen verlangt werden können, die vernünftigerweise nach der Verkehrsauffassung zu erwarten seien, wobei die Verletzung der gebotenen Sorgfalt eine Erkennbarkeit bzw. Voraussehbarkeit der Gefahr voraussetze. Die Forderung nach einer regelmäßigen Überprüfung der Standfestigkeit eines Grabsteins gehe über das angemessene Maß hinaus, wenn es keine Anzeichen für eine allenfalls mangelnde Standfestigkeit gibt. Der Besitzer des Grabsteins sei daher nicht zum Schadenersatz verpflichtet, weshalb die Klage schlussendlich abgewiesen wurde.