Kein Trauerschmerzengeld für Bruder
Grundsätzlich macht eine Vertragsverletzung nur dem Gläubiger gegenüber ersatzpflichtig. Nach ständiger Rechtsprechung bestehen aber Schutz- und Sorgfaltspflichten aus einem Vertragsverhältnis nicht nur zwischen den unmittelbaren Vertragsparteien, sondern auch gegenüber dritten Personen, die durch die Vertragserfüllung erkennbar in erhöhtem Maß gefährdet werden und der Interessensphäre eines Vertragspartners angehören. Begünstigt sind Dritte, deren Kontakt mit der vertraglichen Hauptleistung bei Vertragsabschluss vorhersehbar war und die der Vertragspartner (des Hauptleistungspflichtigen) entweder erkennbar durch Zuwendung der Hauptleistung begünstigte, an denen er ein sichtbares eigenes Interesse hat oder denen er selbst offensichtlich rechtlich zur Fürsorge verpflichtet ist.
Einer kürzlich vom Obersten Gerichtshof (OGH) entschiedenen Rechtssache lag nachfolgender Sachverhalt zu Grunde:
Ein 1984 geborener Mann erlitt einen Riss der linken Kniescheibensehne und wurde deshalb stationär in einem Landesklinikum aufgenommen. Bei einem Kontrolltermin klagte der Mann über Schmerzen im Oberschenkel. Obwohl der Mann Risikopatient war, unterließ der behandelnde Arzt eine Thromboseabklärung. Kurz Zeit später verstarb der Mann an einer Lungenembolie. Sein 2 Jahre jüngerer Bruder klagte daraufhin den Krankenhausträger und begehrte u.a. Trauerschmerzengeld.
Beide Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren des Bruders ab. Der OGH bestätigte diese Entscheidung und führte in seiner Urteilsbegründung aus, dass in dem Alter der beiden Brüder zwischen Brüdern typischerweise keine auffallend innige soziale Nahebeziehung zu erwarten sei. Dass im Einzelfall besondere, von den üblichen Sozialstrukturen abweichende Verhältnisse vorgelegen haben mögen, sie für die zunächst vorzunehmende objektive Auslegung der personellen Reichweite möglicher Schutzwirkungen des Behandlungsvertrags nicht von Belang. Eine objektive Auslegung des Behandlungsvertrages ergebe, dass der Kreis der von seinen Schutz- und Sorgfaltspflichten umfassten Dritten erwachsene Geschwister des Vertragspartners (= behandelter Patient) nicht mehr einschließt. Der Bruder des Verstorbenen hat daher – im Unterschied etwa zum Ehegatten oder Lebensgefährten – keinen Anspruch auf Trauerschmerzengeld gegenüber dem Krankenhausträger.