Kostenersatz für immunologische Behandlung iZm einer In-vitro-Fertilisation?

Ehe- und Familienrecht
Juni 2023

Einer kürzlich vom Obersten Gerichtshof (OGH) entschiedenen Rechtssache lag nachfolgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin hatte bereits vier fehlgeschlagene Versuche einer In-vitro-Fertilisation hinter sich, woraufhin das Präparat „Ig VENA“ verordnet wurde. Das Präparat hat keine Zulassung für die Verbesserung von Fertilität und Schwangerschaftsverlauf, jedoch wird es bei immunologischen Abweichungen bereits seit Jahren international und national erfolgreich bei rekurrentem Implantationsversagen und wiederholtem Abortusgeschehen eingesetzt.

Bei der Klägerin führte die Behandlung mit dem Präparat zum gewünschten Erfolg und konnte sie sich über eine erfolgreiche Schwangerschaft freuen. Die beklagte Österreichische Gesundheitskassa lehnte den Antrag der Klägerin für Erstattung der Kosten für die Behandlung mit „Ig VENA“ ab. Sie argumentierte, dass es sich bei einer In-vitro-Fertilisation um keine Krankenbehandlung im Sinne des § 133 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) handle. Die Klägerin erhob daraufhin Klage und brachte vor, dass der Versicherungsfall der Krankheit vorliege, weil mit dem Präparat eine bei ihr vorliegende Antikörperstörung behandelt worden sei. Die Behandlung sei zudem alternativlos und erfolgreich gewesen.

Der OGH musste darüber entscheiden, ob die Behandlung mit dem Präparat eine Krankenbehandlung iSd § 133 ASVG darstellt und die Klägerin eine Kostenerstattung geltend machen kann. 

Voraussetzung für einen Anspruch aus der Krankenversicherung sei zunächst der Eintritt des Versicherungsfalls. Im Versicherungsfall der Krankheit sei dies der Beginn der Krankheit, wobei darunter ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der eine Krankenbehandlung notwendig macht, verstanden wird. Eine notwendige Krankenbehandlung sei nach ständiger Rechtsprechung bereits dann anzunehmen, wenn die Behandlung geeignet erscheint, eine Verschlechterung des Zustandsbildes hintanzuhalten. Eine notwendige Krankenbehandlung müsse nicht die endgültige und vollständige Heilung des Patienten zum Ziel haben, sondern genüge es vielmehr, wenn sie die Besserung des Leidens oder die Verhütung der Verschlimmerung bezweckt.

Ein Kostenerstattungsanspruch für die Vornahme einer In-vitro-Fertilisation wurde in der älteren Rechtsprechung des OGH verneint. Begründet wurde dies damit, dass der „regelwidrige Körperzustand“ nicht im Fehlen einer Schwangerschaft bestehe, sondern in der Unfähigkeit zur Empfängnis. Die In-vitro-Fertilisation beeinflusse den regelwidrigen Körperzustand an sich nicht und würde die Nichtvornahme einer solchen Fertilisation den Gesundheitszustand der Betroffenen auch nicht verschlechtern. Der OGH betonte, dass sich aus dieser Rechtsprechung nicht ableiten lasse, dass ein Anspruch auf Kostenerstattung bloß deswegen ausscheidet, weil eine Behandlung in einem zeitlichen oder ursächlichen Zusammenhang mit einer In-vitro-Fertilisation steht. Ein Kostenersatz sei nur dann ausgeschlossen, wenn damit kein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand beeinflusst wird.

Im gegenständlichen Fall begehrte die Klägerin jedoch Kostenersatz für die Behandlung mit einem Präparat, welches ihren regelwidrigen Körperzustand beeinflusste. Bei der Klägerin bestand eine immunologische Abweichung, aufgrund der sie hinsichtlich einer möglichen Schwangerschaft die Neigung zu habituellem Abort aufwies. Die Behandlung, für welche die Klägerin Kostenersatz begehrte, hatte den Zweck eine Abstoßung des Embryos infolge des regelwidrigen Körperzustandes der Klägerin zu verhindern. Die Österreichische Gesundheitskassa wurde daher verpflichtet, die Kosten für die Behandlung mit „Ig VENA“ zu übernehmen.