Pandemiebedingte Mietzinsminderung für Swingerclub?

Mietrecht
April 2024

Gemäß § 1104 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) ist kein Mietzins zu entrichten, wenn die in Bestand genommene Sache wegen „außerordentlicher Zufälle“, namentlich (u.a.) wegen „Feuer, Krieg oder Seuche, großer Überschwemmungen (oder) Wetterschläge“, gar nicht gebraucht oder benutzt werden kann. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat zwischenzeitlich bereits mehrfach ausgesprochen, dass auch die COVID-19-Pandemie als „Seuche“ im Sinne des § 1104 ABGB zu werten ist und aufgrund dieser Pandemie durch Gesetz oder Verordnung angeordnete Betretungsverbote für Geschäftsräume in Bestandobjekten zu deren Unbenutzbarkeit führen.

Die Frage, ob (teilweise) Unbenützbarkeit des Bestandgegenstands vorliegt, ist nach dem Vertragszweck zu beurteilen. Die Bestandsache muss eine Verwendung zulassen, wie sie gewöhnlich nach dem Vertragszweck erforderlich ist und nach der Verkehrssitte erfolgt. Mangels anderer Vereinbarungen ist eine mittlere (durchschnittliche) Brauchbarkeit geschuldet. Für die Beurteilung ist daher in erster Linie die (ausdrückliche) Parteienvereinbarung bzw. der dem Vertrag zugrundegelegte Geschäftszweck maßgeblich. Ist der bedungene Gebrauch des Bestandobjekts etwa durch Kundenverkehr gekennzeichnet, so kann ein Betretungsverbot aus Anlass der COVID‑19‑Pandemie zur (gänzlichen) Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts führen.

Einer kürzlich vom Obersten Gerichtshof (OGH) entschiedenen Rechtssache lag nachfolgender Sachverhalt zu Grunde:

Die klagende Hauseigentümerin vermietet der Beklagten aufgrund eines 1993 geschlossenen Mietvertrags ein Geschäftslokal Top 2 im Souterrain und Top 5 im Hochparterre ihres Hauses. Im Souterrain gibt es eine Bar, eine Dampfkammer, einen kleinen Tanzbereich, Garderoben, WC‑Anlagen und Duschen, ein Buffet und die Küche. Im Barbereich gibt es zehn bis zwölf Barhocker. Im Loungebereich gibt es einen Stehtisch für vier Personen, einen niedrigen Tisch, an dem vier Personen sitzen können, zwei Nischen, die jeweils acht Personen, wenn sie zusammenrücken, Platz bieten und eine Doppelnische, in der, wenn sie keinen Abstand halten, zwölf bis fünfzehn Personen sitzen können. Im Hochparterre gibt es 13 verschiedene Themenzimmer, die über Gänge, die etwa 80 cm bis einen Meter breit sind, erreicht werden.

Das Mietobjekt ist im Vertrag als „Saunabetrieb mit Gastgewerbe, Solarium, Massage und Fitnessstudio“ bezeichnet, tatsächlich wird im Objekt seit Mietbeginn mit Wissen und Zustimmung der Vermieter ein Swingerclub betrieben. Der dem Vertrag zugrundeliegende Geschäftszweck ist die Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten zur Pflege zwischenmenschlicher (sexueller) Kontakte; das Unternehmenskonzept eines Swingerclubs sind zwischenmenschliche Nähe, Körperkontakt und ein freizügiges sexuelles Miteinander; die Verabreichung von Speisen und Getränken ist kein vorrangiger oder selbstständiger Geschäftszweck.

Ab dem Beginn des ersten Lockdowns (16. 3. 2020) hielt die Beklagte den Betrieb längere Zeit geschlossen, und zwar auch nach Mai 2020, da die behördlich verordneten Einschränkungen (Abstandsregelung, Maskenpflicht, Vorverlegung der Sperrstunde, Verabreichung von Speisen und Getränken nur an den Tischen) eine dem Verwendungszweck entsprechende sinnvolle Nutzung des Objekts als Swingerclub nicht möglich machten.

Da die Beklagte mit der Begründung, dass das Bestandobjekt von 16. 3. 2020 bis Ende März 2022 für den vereinbarten Vertragszweck eines Swingerclubs nicht benützbar gewesen sei, sodass die Beklagte keinen bzw. nur geminderten Mietzins geschuldet habe, keine oder nur geringfügige Mietzinszahlungen leistete, begehrte die klagende Hauseigentümerin den restlichen Mietzins.

Der letztlich angerufene OGH führt in seiner Entscheidung aus, dass die behördlich verordneten Einschränkungen (Abstandsregelung, Maskenpflicht, Vorverlegung der Sperrstunde, Verabreichung von Speisen und Getränken nur an den Tischen) eine dem Verwendungszweck entsprechende sinnvolle Nutzung des Objekts als Swingerclub nicht möglich machten, was auch mit den Feststellungen zu den den mietvertraglich vereinbarten Zweck bildenden sexuellen Aktivitäten im Swingerclub im Einklang stehe. Die Betreiberin des Swingerclubs hatte daher zu Recht den Bestandzins gemindert.