Preisminderung versus Einrede des gemeinsamen Irrtums

Allgemeines Zivilrecht Gewährleistungsrecht Vertragsrecht
September 2024

Im Zusammenhang mit einem Vertrag können eine Reihe von Problemen auftreten. Manche dieser Komplikationen bestehen bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und werden deshalb als „Wurzelmängel“ bezeichnet, währenddessen andere erst in der Phase der Abwicklung nach dem Zustandekommen des Vertrags in Erscheinung treten, sog. „Abwicklungsmängel“. Klassische Beispiele für Wurzelmängel sind Irrtümer gemäß § 871 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB).

Paradebeispiel für einen Abwicklungsmangel ist die sog. Gewährleistung, also die Schlechterfüllung des Vertrags. In der Rechtsprechung und Lehre wird darauf hingewiesen, dass die Bestimmungen über die Gewährleistung und über den Irrtum grundsätzlich nebeneinander Anwendung finden können.

Mit diesem Verhältnis zwischen dem Gewährleistungsrecht und dem Irrtumsrecht musste sich der Oberste Gerichtshof (OGH) erst in einer kürzlich ergangenen Entscheidung umfassend auseinandersetzen, der folgender Sachverhalt zugrunde lag:

Der Kläger kaufte vom beklagten Gebrauchtwarenhändler mit Kaufvertrag vom 31.01.2020 ein Fahrzeug der Marke Audi zu einem Kaufpreis von € 46.500,00. Aufgrund vergangener Unfälle war dieses Fahrzeug jedoch bereits bei Vertragsabschluss weder betriebs- noch verkehrssicher. Dieser Umstand war dem Käufer und dem Beklagten nicht bekannt. Im Februar 2020 begehrte der Kläger die Reparatur des Fahrzeugs, wobei der Beklagte eine solche Verbesserung nicht vornahm. In Folge der mangelbedingten objektiven Preisminderung des Fahrzeuges in Höhe von € 17.355,00 forderte der Kläger vom Beklagten eine entsprechende Preisminderung. Demgegenüber erhob der Beklagte im Gerichtsprozess die Einrede des gemeinsamen Irrtums, begehrte die Vertragsaufhebung gemäß § 871 ABGB und bot eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung durch Rückerstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeuges an. Fraglich war nun für die Instanzen, ob ein dem gewährleistungsberechtigen Kläger zustehendes Wahlrecht zwischen Preisminderung und Vertragsauflösung durch die Einrede des gemeinsamen Irrtums durch den Beklagten abgewendet werden kann.

Das Höchstgericht führte hierzu zunächst aus, dass es einem Übernehmer einer mangelhaften Sache bei Vorliegen einer der in § 932 Abs 4 ABGB genannten Voraussetzungen möglich ist, von seinem gewährleistungsrechtlichen Wahlrecht zwischen Preisminderung oder Vertragsaufhebung Gebrauch zu machen, sofern es sich nicht um einen geringfügigen Mangel handelt. Im Ausgangsfall bestand dieses Wahlrecht auf Seiten des Klägers, zumal der Beklagte eine Verbesserung des Fahrzeuges verweigerte, und der Mangel nicht als geringfügig einzustufen war. Sein Wahlrecht übte der Käufer dahingehend aus, dass er nicht die gänzliche Vertragsaufhebung begehrte, sondern er das Fahrzeug zu einem verminderten Kaufpreis behalten wollte und somit seinen Preisminderungsanspruch geltend machte. Neben dem Gewährleistungsrecht findet bei Vorliegen der im Gesetz genannten Voraussetzungen aber auch das Irrtumsrecht Anwendung. Sollte es sich hierbei um einen wesentlichen und beachtlichen Irrtum auf Seiten beider Vertragsparteien handeln, so führt nach der ständigen Rechtsprechung des OGH ein solcher gemeinsamer Irrtum prinzipiell zur Unverbindlichkeit des Vertrags. Gerade dieses Argument des gemeinsamen Irrtums und eine daraus resultierende Vertragsaufhebung wurde vom Beklagten im Gerichtsverfahren einredeweise dem Gewährleistungsanspruch auf Preisminderung des Klägers entgegengehalten.

Problematisch erscheint, dass der gewährleistungsberechtigte Kläger durch die Zulässigkeit der Einrede des gemeinsamen Irrtums durch den Beklagten und der dadurch bewirkten Vertragsaufhebung um sein gewährleistungsrechtliches Wahlrecht zwischen Preisminderung oder Vertragsaufhebung gebracht werden könnte. Gerade zu einer solchen Umgehung wäre es im Ausgangsfall gekommen, wollte der Kläger am Vertrag, wenn auch nur mit gemindertem Kaufpreis für das Fahrzeug, festhalten und diesen nicht gänzlich aufheben. Im Gegensatz dazu begehrte aber der Beklagte durch die Einrede des gemeinsamen Irrtums die Aufhebung des gesamten Vertrags gegen Rückerstattung des bereits bezahlten Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeuges.

Unter Verweis auf die Lehre, die vergleichbare deutsche Rechtslage und dem unionsrechtlich durch die Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie gewährten unabdingbaren Mindestmaß an Verbraucherschutz stellte der OGH somit im Ergebnis notwendigerweise fest, dass ein gewährleistungsberechtigter Kläger (Käufer) sein ihm nach § 932 Abs 4 ABGB zustehendes und nach § 9 KSchG einseitig zwingendes Wahlrecht zwischen Preisminderung und Vertragsauflösung behält. Eine dagegen vom gewährleistungspflichtigen Beklagten (Verkäufer) erhobene Einrede des gemeinsamen Irrtums muss aus Verbraucherschutzüberlegungen ohne Erfolg bleiben.