Produkthaftung bei explodierender Sektflasche?

Schadenersatzrecht
Februar 2023

Einer kürzlich vom Obersten Gerichtshof (OGH) entschiedenen Rechtssache lag nachfolgender Sachverhalt zu Grunde: Der Kläger erwarb eine Sektflasche der Beklagten, welche eine Sektkellerei betreibt. Die Befüllung und Etikettierung der Flasche erfolgte im Betrieb der Beklagten. Am Etikett auf der Rückseite der Sektflasche findet sich der Warnhinweis: „Glasflasche steht unter Druck – kann bei Gewaltanwendung bersten (Splitterflug), nicht stoßen!“. Der Kläger lagerte die Sektflasche in seiner Garage. Bei der Umlagerung stieß er mit der Flasche heftig gegen den Garagenboden oder einen anderen Gegenstand. Durch diesen Stoß kam es zur Explosion der Flasche. Durch die Explosion der Flasche wurden mehrere Splitter bzw. Scherben weggeschleudert. Der Kläger zog sich dabei Schnittwunden am linken Unterschenkel sowie im Bereich des linken Unterarms zu.

Das Erstgericht wies das u.a. auf Schmerzengeld gerichtete Klagebegehren des Klägers ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der gegen das Berufungsurteil angerufene OGH führte in seiner Entscheidung aus, dass das Berufungsgericht die Rechtsprechung zu den Haftungsvoraussetzungen nach § 5 Produkthaftungsgesetz (PHG) zutreffend und vollständig wiedergegeben und seiner Entscheidung auch zugrunde gelegt habe. Zusammengefasst sei ein Produkt nach § 5 Abs 1 PHG fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigung aller Umstände zu erwarten berechtigt ist, besonders angesichts 1. der Darbietung eines Produkts, 2. des Gebrauchs des Produkts, mit dem billigerweise gerechnet werden kann, 3. des Zeitpunkts, zu dem das Produkt in den Verkehr gebracht worden ist. Ausschlaggebend seien die berechtigten Sicherheitserwartungen, ein objektiver Maßstab, dessen Konkretisierung im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände vorzunehmen sei; was im Einzelfall an Produktsicherheit erwartet werden darf, sei eine Rechtsfrage.

Für die Beurteilung der Fehlerhaftigkeit eines Produkts sei nicht strikt auf den bestimmungsgemäßen Gebrauch, sondern auf alle Gebrauchsmöglichkeiten abzustellen, die bei objektiver Betrachtung aus der Perspektive des Herstellers als denkmöglich in Betracht zu ziehen sind, was selbst außergewöhnliche Nutzungen, die als noch sozialüblicher Abusus anzusehen sind, einschließe. Nur für objektiv unvorhersehbare oder geradezu absurde Nutzungen habe der Hersteller nicht einzustehen.

Nach den für den OGH bindenden Feststellungendes Erstgerichts entsprach die Sektflasche den geltenden Normen und technischen Sicherheitsstandards. Dies indiziere die Fehlerfreiheit des Produkts. Unter Berücksichtigung der objektivierbaren Anforderungen an die Eigenverantwortung des idealtypischen durchschnittlichen Produktbenützers erfülle die Konstruktion der Sektflasche dessen berechtigte Sicherheitserwartungen. Diese liegen nach Ansicht des OGH (nur) darin, dass eine Sektflasche, die lediglich am Boden abgestellt wird oder mit der im Zuge eines üblichen Abstellvorgangs an einer Tischkante angestoßen wird, nicht explodiert und Personen durch den dadurch verursachten Splitterflug der Glasflasche nicht verletzt werden. Dies stehe auch mit der Darbietung des Produkts, nämlich dem Warnhinweis, in Einklang. Nach Ansicht des Senats stelle ein – wie hier – mit unüblich hoher Krafteinwirkung ausgeführter Stoß mit der Sektflasche gegen den Boden oder einen anderen harten Gegenstand, der die Sektflasche zu Bruch und zum Bersten („Explodieren“) mit Splitterflug bringt, kein sozialübliches Verhalten dar. Ein derartiges Verhalten habe daher für die Beklagte auch nicht vorhersehbar sein müssen. Zudem sei vom Benützer einer Sektflasche ein weitaus sorgfältigerer Umgang zu erwarten als von jenem einer kohlensäurehaltigen Mineralwasserflasche, zumal eine Sektflasche unter beachtlichem Druck steht. Auch der auf der Sektflasche angebrachte Warnhinweis sei ausreichend klar und verständlich. Der OGH bestätigte daher die abweisende Entscheidung des Berufungsgerichtes und verneinte demnach die Produkthaftung.
 
 
Auslegung des Begriffs...Gerichtsstand der...