Rechtsmissbräuchlich begehrte Witwenpension durch wiederholte Heirat und Scheidung

Allgemeines Zivilrecht Ehe- und Familienrecht Sozialversicherungsrecht
April 2024

Gemäß § 265 Abs 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) gebührt einer sich wiederverehelichenden Witwe grundsätzlich eine Abfertigung in der Höhe des 35‑fachen Betrags der monatlichen Witwenpension (was dem zweieinhalbfachen Jahresbetrag entspricht), auf die sie im Zeitpunkt der Schließung der neuen Ehe Anspruch gehabt hat. Wird die neue Ehe der Witwe unter anderem durch Scheidung aufgelöst, lebt der Anspruch auf die Witwenpension auf Antrag wieder auf, wenn die Ehe nicht aus dem alleinigen oder überwiegenden Verschulden der Witwe aufgelöst worden ist. Der Anspruch lebt mit dem der Antragstellung folgenden Monatsersten, frühestens mit dem Monatsersten wieder auf, der dem Ablauf von zweieinhalb Jahren nach dem seinerzeitigen Erlöschen des Anspruchs folgt.

Einer kürzlich vom Obersten Gerichtshof (OGH) entschiedenen Rechtssache lag nachfolgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Klägerin bezog nach dem Tod ihres ersten Gatten im November 1981 eine Witwenpension. Im Oktober 1982 heiratete sie erstmals H* (im Folgenden: Mann), von dem sie sich im März 1988 zum ersten Mal scheiden ließ. Danach heiratete die Klägerin den Mann weitere elf Mal, zuletzt am 29. November 2019, und ließ sich ebenso oft wieder von ihm gemäß § 55a EheG scheiden, zuletzt am 18. Mai 2022. Die Scheidungen erfolgten jeweils wegen unheilbarer Zerrüttung, die unter anderem aufgrund des Berufs des Mannes als Fernfahrer entstanden ist. Seit mehr als 15 Jahren ist der Mann in Pension.

Seit dem Jahr 1982 leben die Klägerin und ihr Mann in einem gemeinsamen Haushalt. Die Kosten für die Wohnung werden zwischen ihnen geteilt; sie kochen auch teilweise gemeinsam für einander. Nach der letzten Scheidung wurden die Zimmer der Wohnung nicht neu aufgeteilt; zwischen ihnen besteht auch eine Geschlechtsgemeinschaft.

Nach den (ersten elf) Scheidungen gewährte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt der Klägerin immer die Witwenpension und nach jeder erneuten Heirat eine Abfertigung. Auch nach der letzten Eheschließung mit ihrem Mann erhielt die Klägerin eine Abfertigung der Witwenpension.

Mit Bescheid vom 5. September 2022 wies die Beklagte den erneuten Antrag der Klägerin vom 4. Juli 2022, ihr nach der Scheidung vom 18. Mai 2022 die wiederaufgelebte Witwenpension nach ihrem verstorbenen ersten Gatten zu gewähren, ab, weil die mittlerweile zwölfte Scheidung vom Mann eine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme des Scheidungsrechts darstelle.

Sowohl das Erst- als auch das Berufungsgericht wiesen die gegen diesen Bescheid erhobene Klage der Klägerin ab. Der OGH bestätigt diese Entscheidung und führte in seiner Entscheidung aus, dass eine Rechtsausübung vor allem dann missbräuchlich sei, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen Grund der Rechtsausübung bildet oder zwischen den verfolgten eigenen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein ganz krasses Missverhältnis besteht. Ein Missbrauch liegt demgemäß jedenfalls dann vor, wenn die an sich zulässige Gestaltung der rechtlichen Verhältnisse anders als mit der Absicht der Umgehung gesetzlicher Regelungen nicht erklärt werden kann.

Da im vorliegenden Fall feststeht, dass die Klägerin und ihr Mann seit der ersten Verehelichung 1982 im gemeinsamen Haushalt leben, sich die Haushaltstätigkeiten und die Kosten teilen, nach der Scheidung die Zimmer der Wohnung nicht neu aufteilen und eine Geschlechtsgemeinschaft besteht, kann von einer mindestens seit einem halben Jahr vor der Scheidung bestehenden Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft schwerlich gesprochen werden. Unter diesem Aspekt könne auch nicht davon ausgegangen werden, das Zugeständnis der unheilbaren Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses bei ihrer letzten Ehescheidung am 18. Mai 2022 habe den Tatsachen entsprochen.

Als Konsequenz der vorstehenden Überlegungen ergebe sich, dass die Klägerin mangels Vorliegens aller Voraussetzungen für eine einvernehmliche Scheidung gar keinen Rechtsanspruch darauf hatte, geschieden zu werden. Es sei daher nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanzen die Vorgangsweise der Klägerin, konkret ihre nur durch diese Scheidung mögliche gegenständliche Beantragung einer Witwenpension bei der Beklagten, als rechtsmissbräuchlich qualifiziert hat. Vielmehr könne darin sogar ein strafrechtlich relevantes Verhalten zum Nachteil der Beklagten liegen. Die Klage wurde daher völlig zu Recht abgewiesen.