Unfall eines Schülers während der Nachmittagsbetreuung

Schadenersatzrecht Arbeitsrecht
März 2024

Einer kürzlich vom Obersten Gerichtshof (OGH) entschiedenen Rechtssache lag nachfolgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger ist Schüler einer von der Beklagten betriebenen, ganztägigen Schule mit Tagesbetreuung. Während der Nachmittagsbetreuung wurde er durch einen von Mitschülern in Bewegung gesetzten „Punchingball“ auf dem Schulgelände verletzt. Dafür begehrte er von der Beklagten Schadenersatz im Wege der Amtshaftung.

Das Erst- und Zweitgericht verneinten eine Haftung nach dem Amtshaftungsgesetz (AHG) weil sich der Unfall im örtlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Schulbesuch ereignet habe und der Beklagten daher das Haftungsprivileg des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) zugute komme.

Der OGH teilte die Rechtsansicht der vorherigen Instanzen und führte dazu aus wiefolgt:

Nach § 333 Abs. 1 ASVG ist der Dienstgeber nur dann zum Ersatz des Schadens, der dem Versicherten durch eine Verletzung am Körper infolge eines Arbeitsunfalles entstanden ist verpflichtet, wenn er diesen vorsätzlich verursacht hat. Ein Arbeitsunfall ist nach § 175 Abs. 1 ASVG ein Unfall, der sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignet. § 8 Abs. 1 Z. 1 lit. h ASVG bezieht Schüler in die gesetzliche Unfallversicherung ein. Nach § 175 Abs. 4 ASVG gelten solche Unfälle als „Arbeitsunfälle“ eines Schülers, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Schulausbildung ereignen. § 335 Abs. 3 ASVG normiert ein § 333 Abs. 1 ASVG entsprechendes Haftungsprivileg des Trägers der Einrichtung bei Schädigung von Schülern durch einen solchen „Arbeitsunfall“.

Unfallversicherungsrechtlich geschützt ist nur eine Tätigkeit, die eine Ausübung der Rolle des Schülers darstellt. Insoweit besteht ein rollenbezogener Versicherungsschutz, der daran anknüpft, dass sich der Schüler im organisatorischen Verantwortungsbereich der besuchten Schule befindet. Entscheidend ist, ob die Gesamtumstände für eine Zurechnung eines Verhaltens zum geschützten Bereich oder zur Privatsphäre des Versicherten sprechen. In der bisherigen Rechtsprechung des OGH wurden Unfälle während der Freizeit an einer Ganztagesschule und einem „Halbinternat“ bereits mehrfach als Arbeitsunfälle eines Schülers nach § 175 Abs. 4 ASVG qualifiziert, und zwar auch dann, wenn sich der Unfall während der Freizeit ereignete, in der sich der Schüler nur nach Abmeldung außerhalb des Internats aufhalten durfte.

Im gegenständlichen Fall erfolgte der Unfall während dem Besuch einer Ganztagesschule. Diese Schulform besteht nach § 8d Abs. 1 Schulorganisationsgesetz (SchOG) aus einem Unterrichts- und einem Betreuungsteil. Nach § 8 lit. j SchOG ist die Tagesbetreuung in eine Lernzeit sowie in Freizeit unterteilt. Die Schüler haben den Betreuungsteil regelmäßig zu besuchen und dürfen diesem grundsätzlich nicht fernbleiben. Während der ganzen Zeit besteht Beaufsichtigungspflicht. Der Kläger befand sich demnach zum Zeitpunkt des Unfalls im organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule. Er unterlag dabei der Beaufsichtigungspflicht der zuständigen Schulorgane. Seine Verletzung war Folge der typischen Gefahrenlage aufgrund der gemeinsamen Freizeitgestaltung in der Ganztagesschule. Der Unfall entsprang seiner Rolle als Schüler und der schulische Bereich stand in einem über den bloßen Kausalzusammenhang hinausgehenden „inneren Zusammenhang“ mit dem Schulbesuch. Die Klage wurde daher nach Ansicht des OGH zu Recht abgewiesen.