Unverzügliche Geltendmachung von Entlassungsgründen
Einer erst kürzlich vom Obersten Gerichtshof (OGH) entschiedenen Rechtssache lag nachfolgender Sachverhalt zu Grunde:
Der Kläger war seit 2007 als Distributionsleiter bei der Beklagten beschäftigt. Im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses kam es zu Missständen, welche an und für sich eine Entlassung rechtfertigen würden. Aus diesem Grunde wurde der Kläger am 27.07.2016 dienstfrei gestellt und schließlich mit Schreiben vom 04.07.2017 – also fast ein Jahr später – entlassen.
Der Kläger begehrte, die Entlassung für rechtsunwirksam zu erklären, unter anderem zumal diese verfristet sei. Dagegen wandte die Beklagte unter anderem ein, dass diese aufgrund der hervorgekommenen Missstände umfassende Nachforschungen angestellt habe.
Aus rechtlicher Sicht stellt sich insbesondere die Frage, ob die Entlassung verfristet war, zumal die vorzeitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, erklärt werden muss. Das Erstgericht verneinte eine Verfristung, zumal der Kläger nicht annehmen hätte können, dass die Beklagte auf die Ausübung des Entlassungsrechts verzichten würde. Auch das Berufungsgericht teilte diese Beurteilung.
Der OGH betonte, dass der Dienstgeber mit der Ausübung seines Entlassungsrechts nicht wider Treu und Glauben so lange warten darf, als der Angestellte aus diesem Zögern auf einen Verzicht des Dienstgebers auf die Geltendmachung der Entlassungsgründe schließen muss. Insbesondere soll der Dienstnehmer, dem ein pflichtwidriges Verhalten vorgeworfen wird, nicht ungebührlich lange über sein weiteres dienstrechtliches Schicksal im Unklaren gelassen werden. Es kann jedoch nicht aus jeder Verzögerung auf den Verzicht des Arbeitgebers auf die Ausübung des Entlassungsrechts geschlossen werden.
In vorliegendem Fall verdeutlichte der OGH, dass bei der Prüfung der Rechtzeitigkeit einer Entlassung darauf abzustellen ist, ob im Zuwarten ein Verzicht auf die Geltendmachung des Entlassungsgrundes zu erblicken ist. Dies ist nicht der Fall, wenn das Zuwarten durch Umstände begründet ist, welche die Annahme eines derartigen Verzichts nicht rechtfertigen. Insbesondere die Suspendierung des Arbeitnehmers, die der Klärung der rechtlichen oder tatsächlichen Lage dient, kann die Annahme eines Verzichtes auf die Ausübung des Entlassungsrechts verhindern. Nur wenn es für den Arbeitnehmer erkennbar ist, dass sein Verhalten eine Entlassung nach sich ziehen kann und nur noch die Abklärung der Sach- und Rechtslage erforderlich ist, kann aus dem Zeitablauf alleine nicht auf einen Verzicht auf die Ausübung des Entlassungsrechts geschlossen werden.
In gegenständlichem Falle war der OGH zusammenfassend der Ansicht, dass weder aus dem Vorbringen der Beklagten noch dem festgestellten Sachverhalt ersichtlich ist, weshalb die Abklärung der Sach- und Rechtslage ein knappes Jahr dauerte. Die Entlassung war daher in diesem Fall verfristet und rechtsunwirksam.