Verkürzung des Pflichtteils bei Wohnungseigentum?
Die Klägerin, die Tochter des Erblassers, begehrte von der Witwe die Zahlung ihres Pflichtteils auf Basis des Werts des der Witwe nach § 14 Abs. 1 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) angewachsenen Anteils des Erblassers am Mindestanteil, was der Hälfte des Verkehrswerts des Mindestanteils entspricht.
In seiner Entscheidung stellte der OGH klar, wie sich die Bemessungsgrundlage für den Pflichtteilsanspruch der Klägerin nach den einschlägigen Bestimmungen des WEG bemisst. Das Höchstgericht hielt zunächst fest, dass nach § 14 Abs. 1 Z. 1 WEG beim Tod eines Partners für den Anteil des Verstorbenen, vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung, der Anteil des Verstorbenen am Mindestabteil und gemeinsamen Wohnungseigentum von Gesetz wegen unmittelbar ins Eigentum des überlebenden Partners übergeht.
§ 14 Abs. 2 WEG verpflichtet den Erwerber dazu, der Verlassenschaft die Hälfte des Verkehrswerts des Mindestanteils zu bezahlen (Übernahmspreis). Diese Pflicht des Erwerbers, den mit der Hälfte des Verkehrswerts des (gesamten) Mindestanteils anzusetzenden Übernahmspreis an die Verlassenschaft zu zahlen, dient dem wertmäßigen Ausgleich für die Anwachsung des halben Mindestanteils und soll eine Benachteiligung der Erben, Pflichtteilsberechtigten und Gläubiger des Erblassers verhindern. Anstelle des anwachsenden halben Mindestanteils des Erblassers ist die wertmäßig gleich hohe Forderung des Nachlasses gegen den Anwachsungsberechtigten als Nachlassaktivum vorhanden. Für die Berechnung der Pflichtteilsansprüche ändert sich daher nichts.
§ 14 Abs. 3 Satz 1 WEG ordnet den Entfall der Zahlungspflicht an, wenn der Erwerber ein Pflichtteilsberechtigter des Erblassers und Gegenstand des gemeinsamen Wohnungseigentums eine Wohnung ist, die dem Überlebenden zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses dient. Wenn aber zumindest noch ein anderer Pflichtteilsberechtigter vorhanden ist, hat der überlebende Partner – wie im vorliegenden Fall – nach § 14 Abs. 3 Satz 2 WEG ein Viertel des Verkehrswerts des Mindestanteils an die Verlassenschaft zu bezahlen. In diesem Fall kommt es daher auch zu einer Änderung bei der Berechnung der Pflichtteilsansprüche, da anstelle des anwachsenden halben Mindestanteils des Erblassers nicht der wertmäßig gleich hohe Übernahmspreis, der an die Verlassenschaft zu zahlen ist, sohin lediglich die Hälfte des Übernahmspreis bzw. insgesamt ein Viertel des Verkehrswertes der gesamten Wohnung in die Verlassenschaft fällt.
Die Klägerin vertritt daher die Ansicht, dass bei der Berechnung ihrer Pflichtteilsansprüche der gesamte Übernahmspreis, also die Hälfte des Verkehrswertes der gesamten Wohnung, heranzuziehen ist. Der OGH führte diesbezüglich aus, dass er die von einem Teil der Lehre vorgetragenen teleologischen Bedenken gegen die Berücksichtigung nur des an den Nachlass zu zahlenden halben Übernahmspreises zwar durchaus für beachtlich hält, allerdings eine Einbeziehung des gesamten Übernahmspreises in die Pflichtteilsberechnungsgrundlage aus methodischen Gründen – mangels Vorliegens einer Gesetzeslücke – nicht zulässig sei. Dass eine Regelung allenfalls wünschenswert wäre, reiche für die Annahme einer Gesetzeslücke nämlich nicht aus. Zudem wecke der Umstand, dass den Pflichtteilsberechtigten nicht der gesamte bzw. zumindest überwiegende Teil des zu zahlenden halben Übernahmspreises zufließt, sondern auch der Erbe profitiert, noch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, ist doch auch im Anerbenrecht (bzw. Tiroler Höferecht) ebenso eine Verkürzung der Pflichtteilsberechtigten aufgrund des gegenüber dem Verkehrswert begünstigten Übernahmspreises vorgesehen.