Verlängerung der Kündigungsfristen im Hotel- und Gastgewerbe?

Arbeitsrecht
Mai 2022


Mit Wirkung vom 01.10.2021 ist der neu gefasste § 1159 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) in Kraft getreten. Gemäß § 1159 Abs 2 ABGB kann der Dienstgeber mangels einer für den Dienstnehmer günstigeren Vereinbarung das Dienstverhältnis mit Ablauf eines jeden Kalendervierteljahres durch vorgängige Kündigung lösen. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Wochen und erhöht sich nach dem vollendeten zweiten Dienstjahr auf zwei Monate, nach dem vollendeten fünften Dienstjahr auf drei, nach dem vollendeten fünfzehnten Dienstjahr auf vier und nach dem vollendeten fünfundzwanzigsten Dienstjahr auf fünf Monate. Durch die Neufassung dieser Bestimmungen wurden die für Arbeiter geltenden (kürzeren) Kündigungsfristen an jene der Angestellten angeglichen.

Gemäß § 1159 Abs 2 letzter Satz ABGB können für Branchen, in denen Saisonbetriebe im Sinne des § 53 Abs. 6 des Arbeitsverfassungsgesetzes (ArbVG) überwiegen, abweichende Regelungen durch Kollektivvertrag festgelegt werden. Der Kollektivvertrag für ArbeiterInnen im Hotel- und Gastgewerbe in der ab 01.05.2019 geltenden Fassung sieht etwa vor, dass unbefristete Arbeitsverhältnisse nur nach vorheriger 14‑tägiger Kündigung gelöst werden können.

Da allerdings fraglich ist, ob eine durch Kollektivvertrag abweichende Regelung, welche zum Zeitpunkt des Inkraftretens des § 1159 (neu) ABGB per 01.10.2021 bereits in Geltung war, ab 01.10.2021 seine Gültigkeit verloren hat oder nicht, haben der Fachverband Hotellerie und der Fachverband Gastronomie der Wirtschaftskammer Österreich eine entsprechende Anfrage an den Obersten Gerichtshof (OGH) gerichtet.

Der OGH führte in seiner Entscheidung aus, dass in § 1159 (neu) ABGB nicht geregelt werde, ob eine abweichende Regelung gemäß § 1159 Abs 2 letzter Satz ABGB vor oder erst nach dem Inkrafttreten diese Bestimmung erfolgen kann. Nach Ansicht des OGH erlaube der Umstand, dass in anderen Fällen ausdrücklich gesetzliche Regelungen über die Weitergeltung bestehender Kollektivvertragsnormen getroffen worden sein mögen, noch keinen Umkehrschluss auf einen nun davon abweichenden gesetzgeberischen Willen. Wie es auch den überwiegenden Stellungnahmen der Literatur entspreche, sei damit insgesamt kein hinlänglicher Grund dafür erkennbar, warum eine bereits vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes geschaffene kollektivvertragliche Regelung nach Inkrafttreten des Gesetzes nicht weiter Bestand haben sollte, sofern und soweit mit ihr die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt werden.

Allerdings führte der OGH aus, dass die 14-tägige Kündigungsfrist laut dem Kollektivvertrag für ArbeiterInnen im Hotel- und Gastgewerbe nur dann durch das Inkrafttreten des § 1159 (neu) ABGB ab 01.10.2021 seine Geltung nicht verloren habe, wenn der Kollektivvertrag von der den Kollektivvertragsparteien eingeräumten gesetzlichen Ermächtigung zur Schaffung einer abweichenden kollektivvertraglichen Regelung gedeckt ist. Dies sei nur dann der Fall, wenn sich der Kollektivvertrag auf eine Branche, in der Saisonbetriebe im Sinne des § 53 Abs 6 des ArbVG überwiegen, bezieht.

Der OGH gelangte diesbezüglich zum Schluss, dass nicht davon auszugehen sei, dass in der vom bundesweiten Geltungsbereich des vorliegenden Kollektivvertrags erfassten Branche des Hotel- und Gastgewerbes iSd § 1159 ABGB Saisonbetriebe überwiegen und somit die tatbestandlichen Voraussetzungen für die kollektivvertragliche Ermächtigung erfüllt wären. Die zum Zeitpunkt des Inkraftretens des § 1159 (neu) ABGB per 01.10.2021 im Kollektivvertrag für ArbeiterInnen im Hotel- und Gastgewerbe vorgesehene 14-tägige Kündigungsfrist hat daher ab 01.10.2021 ihre Geltung verloren.