Vertrauensunwürdigkeit eines Arbeitnehmers wegen falscher Arbeitszeiterfassung

Arbeitsrecht
Januar 2024

Einer kürzlich vom Obersten Gerichtshof (OGH) entschiedenen Rechtssache lag nachfolgender Sachverhalt zu Grunde: Die Beklagte ordnete für ihre Mitarbeiter am Freitag, den 13.03.2020, Homeoffice an. Der Kläger flog am 16.03.2020 um ca. 07:00 Uhr mit seiner Familie in seine Wohnung in Teneriffa.

Obwohl er dort erst ab ca. 12:00 Uhr zu arbeiten begann und wusste, dass im Betrieb eine Sollarbeitszeit von 08:00 Uhr bis 16:12 Uhr für ihn als Vollzeitbeschäftigter galt, gab er wahrheitswidrig im Arbeitszeiterfassungssystem der Beklagten an, an diesem Tag von 09:00 Uhr bis 17:15 Uhr gearbeitet zu haben. Er war der Meinung, dass er dadurch keine Arbeitszeitverkürzung zu Lasten der Beklagten herbeiführte, weil er am 13.03.2020 von 07:00 Uhr bis etwa 22:30 Uhr gearbeitet hatte. Die Beklage löste das Arbeitsverhältnis wegen Vertrauensunwürdigkeit nach § 27 Z. 1 Fall 3 Angestelltengesetz (AngG) auf.

Der OGH hielt zunächst fest, dass unter den Tatbestand der Vertrauensunwürdigkeit nach § 27 Z. 1 Fall 3 AngG jede Handlung oder Unterlassung eines Angestellten fällt, die mit Rücksicht auf ihre Beschaffenheit und ihre Rückwirkung auf das Arbeitsverhältnis den Angestellten des dienstlichen Vertrauens seines Arbeitgebers unwürdig erscheinen lässt, weil dieser befürchten muss, dass der Angestellte seine Pflichten nicht mehr getreulich erfüllen werde, sodass dadurch die dienstlichen Interessen des Arbeitgebers gefährdet sind. Bei der Beurteilung der Vertrauensunwürdigkeit kommt es vor allem darauf an, ob für ihn vom Standpunkt vernünftigen kaufmännischen Ermessens die gerechtfertigte Befürchtung besteht, dass seine Belange durch den Angestellten gefährdet seien. Dafür ist nicht das subjektive Empfinden des Dienstgebers entscheidend, sondern ist an das Gesamtverhalten des Angestellten ein objektiver Maßstab anzulegen. Maßgebend ist, ob das Verhalten des Angestellten das Vertrauen des Arbeitgebers so schwer erschüttert hat, dass diesem die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Die Frage, ob durch das Verhalten des Arbeitnehmers tatsächlich ein Schaden verursacht wurde, ist hingegen nicht Tatbestandsmerkmal des Entlassungsgrundes der Vertrauensunwürdigkeit; ein Schadenseintritt ist also nicht erforderlich, ebenso wenig eine Schädigungsabsicht.

Der OGH betonte, dass der Arbeitnehmer bei Arbeitsleistungen im Homeoffice eine besondere Vertrauensstellung genießt, weil in diesen Fällen weder eine exakte Überwachung der Arbeitszeit noch eine genaue Kontrolle der Tätigkeit möglich ist. Der Arbeitgeber ist im Wesentlichen auf die Richtigkeit der Berichte und Angaben des Arbeitnehmers angewiesen. Dass der Kläger mangels Vereinbarung einer „Kernzeit“ ohnehin berechtigt gewesen wäre, am 16.03.2020 bis Mittag privaten Verpflichtungen nachzugehen, ändere nichts daran, dass er durch seinen wahrheitswidrigen Eintrag der Arbeitszeit im Arbeitszeiterfassungssystem an diesem Tag nicht erbrachte Arbeitsleistungen vortäuschte. Der Beklagten war der in Frage stehende Sachverhalt am 17.03.2020 bekannt geworden und hatte am Folgetag nach rechtlicher, mehrere Stunden dauernder Prüfung und anschließender Besprechung mit den entscheidungsbefugten Personen, die Entlassung des Klägers ausgesprochen. In diesem Vorgehen sah der OGH den Grundsatz der Unverzüglichkeit, welcher nicht überspannt werden darf, als gewahrt, sodass die Entlassung des Klägers gerechtfertigt war.