Zur Haftung bei einem LKW-Brand in einem Autobahn-Tunnel
Die Kfz-Versicherung der Halterin hatte der Klägerin bereits € 1.296.999,80.- bezahlt. Die Klägerin klagte den Restbetrag ein und stützte ihr Begehren darauf, dass der Lenker zielführende Löschmaßnahmen unterlassen habe, obwohl solche einem kundigen Berufskraftfahrer zuzumuten gewesen wären. Weiters brachte sie vor, dass die Halterin für dessen Verschulden einzustehen habe und sie auch ein eigenes Verschulden treffe, nachdem sie den Lenker nicht im Gebrauch des Feuerlöschers unterwiesen hat. Der Beklagte bestritt das Verschulden des Lenkers und wies daraufhin, dass er zwar für die Gefährlichkeit des Betriebes des LKWs einzustehen habe, nicht aber für die unsachgemäße Benutzung eines Feuerlöschers. Zudem bestehe keine Verpflichtung Feuerlöscher mitzuführen, nachdem es sich um keinen Gefahrentransport handelte und der Lenker auch nicht in der Handhabung von Feuerlöschern zu unterweisen war.
Der OGH befasste sich eingehend mit der Frage, ob in der vorliegenden Konstellation – wie vom Berufungsgericht angenommen – eine Verschuldenshaftung der Halterin und des Lenkers zu bejahen ist. § 19 Abs. 1 Eisenbahn- und Kraftfahrzeuggesetz (EKHG) normiert eine Haftung des Halters aufgrund eigenen Verschuldens und verweist explizit auf die Anwendbarkeit der allgemeinen Bestimmungen der §§ 1293 ff Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB). Der Halter hat jede ihm zumutbare Sicherungsmaßnahme gegen eine missbräuchliche und die Allgemeinheit gefährdende Benutzung seines Kraftfahrzeugs zu treffen. Eine Verschuldenshaftung des Halters kommt nach der Rechtsprechung in Frage, wenn ihm über die bloße Ermöglichung der Benutzung des Fahrzeuges hinaus ein Verhalten vorzuwerfen ist, das zu einer Gefährdung der Allgemeinheit führt oder er eine Schutznorm nach § 1311 ABGB verletzt.
Das Höchstgericht hielt zunächst fest, dass die unterbliebene Schulung des Lenkers im Umgang mit den im Fahrzeug vorhandenen, gesetzlich nicht vorgeschriebenen Löschgeräten, kein Verhalten darstellt, das eine von vornhinein ungewöhnliche, die Allgemeinheit gefährdende Benutzung des Fahrzeugs ermöglichen würde. Zwar hat derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft, die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung abzuwenden. Für das Ausmaß einer Sicherungspflicht ist allerdings entscheidend, ob nach den Erfahrungen des täglichen Lebens eine naheliegende und voraussehbare Gefahrenquelle bestand. Diesbezüglich merkte der OGH an, dass ein Brandgeschehen im Zusammenhang mit der Verwendung eines Fahrzeugs zwar nicht auszuschließen sei, die Wahrscheinlichkeit einer brandbedingten Schädigung fremden Eigentums aber nicht als so hoch oder naheliegend einzustufen sei, dass über die gesetzlich gebotenen Maßnahmen hinaus weitere besondere Vorkehrungen zu treffen wären. Mit einer gegenteiligen Annahme würde man zudem die Wertungen des Gesetzgebers im Zusammenhang mit der Ausstattung von Fahrzeugen mit Löschgeräten unterlaufen.
Zum Verschulden des Lenkers führte der OGH aus, dass § 19 Abs. 2 EKHG eine über die §§ 1313a und 1315 ABGB hinausgehende Gehilfenhaftung anordnet. Voraussetzung für eine Haftung des Halters für das Verschulden von anderen Personen (Betriebsgehilfen) ist, dass es sich um einen Unfall beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs handelt und das schuldhafte Verhalten des Betriebsgehilfen für den Unfall ursächlich war. Maßgebend ist, ob der Unfall mit der verkehrstechnischen Gefährlichkeit eines Kraftfahrzeugs in ursächlichem Zusammenhang steht. Es kommt daher nicht auf jene Gefahr an, die sich aus der Inbetriebnahme des Motors und der damit verbundenen Bewegung des Fahrzeugs ergibt. Vielmehr ist im Sinne eines „verkehrstechnischen Ansatzes“ auch jene Gefahr relevant, die unabhängig von einer motorbedingten Bewegung auf der Teilnahme am Verkehr beruht. „Unfall“ ist das unmittelbar von außen her, plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkende Ereignis und ist der Unfallbegriff objektiv zu verstehen. Im gegenständlichen Fall war unstrittig, dass der Lenker kein für die Brandentstehung ursächliches Verhalten gesetzt hat, weil diese auf einen technischen Defekt zurückzuführen war. Zum rechtswidrigen und schuldhaften Verhalten des Lenkers führte der OGH aus, dass von Berufskraftfahrern verlangt wird, dass sie die Regeln der Fahrkunst beherrschen. Dazu gehört eine richtige Bedienung der Betriebseinrichtungen des Fahrzeugs sowie rasches und zweckmäßiges Verhalten bei auftretenden Gefahrensituationen. Das dem Lenker vom Kläger vorgeworfene unzureichende Löschverhalten betreffe weder die Regeln der Fahrkunst, noch der Bedienung von Betriebseinrichtungen oder die Vorschriften für ein bestimmtes Fahrzeug. Spezielle Kenntnisse im Zusammenhang mit der Brandbekämpfung und dem Umgang mit Löschgeräten wird nur von Gefahrengutelenkern, nicht aber von anderen Berufskraftfahrern erwartet. Der OGH kam daher zum Schluss, dass eine Haftung der Halterin und des Lenkers mangels rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens ausscheidet.