Zur Verletzung von Verkehrssicherungspflichten auf Jahrmärkten

Schadenersatzrecht
Juli 2024

Einer kürzlich vom Obersten Gerichtshof (OGH) entschiedenen Rechtssache lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin suchte während eines Jahrmarktes um etwa 00:30 Uhr das Laufgeschäft (Spaßhaus) der Beklagten, die Eigentümerin und Betreiberin des Laufgeschäfts ist, auf. Bei diesem Laufgeschäft handelt es sich um eine Anlage, die ab einem Alter von acht Jahren benützt werden darf und über gepolsterte Rollen, bewegliche Wackelböden, eine rollende Tonne und ein Förderband verfügt.

Über einen automatischen Notstoppmechanismus verfügt das Förderband nicht. Eine Beschränkung der Anzahl an Personen, die das Laufgeschäft gleichzeitig nutzen dürfen, besteht ebenso nicht. Hinter dem Förderband und dem Aufgang zur nächsten Etage wurde eine starr montierte und nicht schwenkbare Überwachungskamera installiert, die auf den Bereich des Förderbands gerichtet ist. Das Bild kann von einem Mitarbeiter des Laufgeschäfts auf einem Bildschirm im Fahrstand beobachtet werden. Der Fahrstand befindet sich auf Straßenniveau im Eingangsbereich des Laufgeschäfts.

Als die Klägerin das Förderband betrat, befanden sich zahlreiche weitere Personen in diesem Bereich. Die Klägerin kam im hinteren Bereich des Förderbands zu Sturz, woraufhin sich ihre offen getragenen Haare im weiterlaufenden Förderband verfingen und schließlich bis zur Kopfhaut eingezogen wurden. Am Bildschirm wurde die Klägerin von den anderen Personen zunächst verdeckt, sodass der Mitarbeiter der Beklagten erst mit etwas Verzögerung das Laufband mechanisch zum Stoppen brachte. Auf den Unfall aufmerksam wurde der Mitarbeiter der Betreiberin nur durch andere Besucher. Den am Beginn des Förderbands montierten Notfallknopf – mit dem auch der Mitarbeiter der Betreiberin das Förderband zum Halten brachte – bemerkte keine der umstehenden Personen. Zwischen dem Sturz der Klägerin und dem Stoppen der Anlage vergingen mindestens 30 Sekunden.

Um die Klägerin aus dem Förderband zu befreien, mussten ihr Haare abgeschnitten werden. Zudem erlitt sie Verletzungen am linken Handrücken sowie am Zeige-, Mittel- und Ringfinger der linken Hand und an ihrem rechten Kniegelenk. Die Klägerin begehrte Schadenersatz und die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche zukünftige unfallkausale Schäden. Die Sicherung der Gefahrenquelle sei unzureichend gewesen. Der OGH hielt dazu fest:

Die Betreiberin eines Laufgeschäfts hat grundsätzlich dafür zu sorgen, dass in angemessener Zeit auf Stürze der Besucher, mit denen aufgrund des Einsatzes von beweglichen Wackelböden und dergleichen zu rechnen ist, reagiert werden kann und wird. Gerade ein Förderband oder Fließband ist eine leicht erkennbare Gefahrenquelle, weil sich lange Haare und lose Kleidung in den beweglichen Teilen des Förderbands verfangen können. Eine Betreiberin eines Laufgeschäfts muss in geeigneter Weise dafür sorgen, dass auf Stürze auf dem Förderband in weniger als 30 Sekunden mit einem Notstopp reagiert werden kann. Im gegenständlichen Fall war die Videoüberwachung allein unzureichend. Eine unmittelbare Form der Überwachung, durch einen Mitarbeiter, der neben dem Förderband und dem Notknopf steht, wäre bei zahlreichen Besuchern, jedenfalls zweckmäßiger als die bloße Videoüberwachung.

Darüber hinaus brachte die Beklagte selbst vor, dass der am Beginn des Förderbands an der Wand montierte Notknopf in erster Linie für Mitarbeiter gedacht war. Schließlich war die von der Beklagten in der konkreten Situation gewählte Videoüberwachung auch deshalb unzureichend, weil dieser Notknopf nicht als solcher beschriftet und ausgewiesen war. Damit wurde den Besuchern, die die Notsituation der Klägerin sofort erfassten, eine richtige Reaktion erschwert. Aus diesen Gründen bejahte der OGH eine Haftung der Beklagten wegen schuldhafter Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten.